Mit dem in der Psychologie dominierenden naturwissenschaftlich-empiristischen Paradigma konnte ich mich schon während meines Studiums nicht wirklich anfreunden. Meine Begeisterung galt vielmehr den im Umfeld der «Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung»/BOAG geborenen Vorlesungen und Seminaren und natürlich deren damals schon legendären Arbeitspapieren.

Gleichwohl gab es doch eine spannende experimentelle „Aktions“-Forschung, in der auch wir gemessen, vermessen, gezählt und gerechnet haben. Im Arbeitsbereich Umwelt- und Kognitionspsychologie haben wir betreut von Ellen Matthies (heute Uni Magdeburg) eine Studie unter der Überschrift „Sortieren geht über Studieren“ realisiert.

Wir führten eine Intervention in unserer eigenen Uni-Cafeteria durch, die das Ziel hatte, das Mülltrennungsverhalten der Cafeteria-BesucherInnen erheblich und nachhaltig zu verbessern.

Wir inspizierten also die Cafeteria und das dortige Trennungssystem, sprachen mit den für die Reinigung und Abfallentsorgung zuständigen HausmeisterInnen und dem Raumpflegepersonal und begutachteten nach Feierabend die Müllsituation und die auf den Tischen liegengebliebenen Müllberge („Abräumverhalten“). Das Verhalten der Studierenden im Hinblick auf den Müll war damals – gelinde ausgedrückt – wirklich mehr als unbefriedigend 😉

Wir führten eine Diskursanalyse und Interviews durch, wir wählten und gestalteten Interventionsstrategien – entwarfen Plakate und Info-Material zur Verhinderung von „Fehlwürfen“ (falsch in die Müllboxen sortierte Müllelemente), setzten originelle Aufkleber – sogenannte „Prompts“ – ein, gestalteten die Wertstoffboxen um, griffen zu „verhaltenserleichternden Maßnahmen“ wie der Einführung von Aschenbechern und einigem mehr – und evaluierten unsere Aktion schließlich unter anderem durch eine akribische Messung des „Abräumverhaltens“ sowie der „Sortierqualität“, indem wir nach Feierabend wacker in die Müllräume im Keller hinunterstiegen und – ausgerüstet mit Federwaage und Schutzhandschuhen – die Fehlwürfe in den einzelnen Müll-Segmenten zählten.

Unsere Intervention zeigte Effekte und wir erhielten durchaus positive Verhaltensergebnisse; auch wenn wir keine nennenswerte Verbesserung des Sortierverhaltens der Studierenden erreichen konnten. Und wir erhielten auch unerwartete Ergebnisse: Mit dem von uns positiv bewerteten Effekt, dass sich das Abräumverhalten deutlich verbesserte, ging gleichzeitig eine Verringerung der Sortierqualität  einher. Sprich: Umso mehr Müll die Leute ab- und wegräumten, umso mehr Zuordnungsfehler machten sie. So haben wir schon damals einiges gelernt über sogenannte „nicht-beabsichtigte Nebenfolgen“ und über das Potential von Forschung, Überraschendes zu Tage zu fördern … 🙂


Den wissenschaftlichen Bericht zu dieser Aktion kann man online hier lesen.

Veröffentlichung: Matthies, E., Güthoff, C., Baum, C., Scho, F., Sieberg, H., Einacker, J., Frings, L., Döhler, M., Voigt, M., Langhoff, M., Majtánik, M., Rosenbauer, N., Brücksken, P., Cibulski, R., Blesius, S., Pralat, S. & Lehmann, T. (1996). „Sortieren geht über Studieren“. Durchführung und Evaluation einer psychologischen Intervention zur Förderung der Müllfraktionierung in einer Universitätscaféteria (Bericht aus der Fakultät für Psychologie, AE Kognitions- und Umweltpsychologie Nr. 48/1996). Bochum: Ruhr-Universität, Fakultät für Psychologie.